Einsatz von KI im Arbeitsleben:Intelligenztest für Hubertus Heil

Kabinettssitzung

Hubertus Heil (SPD) ist Bundesminister für Arbeit und Soziales

(Foto: dpa)

Zalando hat vorgemacht, wie folgenreich der Einsatz künstlicher Intelligenz im Arbeitsleben ist. Werden Beschäftigte bald im großen Stil ausgeforscht? Von SPD-Arbeitsminister Heil ist jetzt Klugheit gefordert.

Kommentar von Hendrik Munsberg

Wer hat Angst vor KI, also vor künstlicher Intelligenz? Die meisten Menschen merken gar nicht, wenn ihnen im Alltag KI begegnet. Dabei genügt schon ein Anruf im Telekom-Service-Center: Man soll seine Kundennummer nennen und fragt hilflos: "Wo steht die denn?" Eine seltsam freundliche Stimme entgegnet: "Oben rechts auf Ihrer Rechnung". Was da spricht, ist ein Bot, eine primitive Form von KI - die Maschine kann simple Situationen bewältigen. Bei Sprachassistenten wie Siri oder Alexa reagieren viele schon ablehnender, aus Sorge vor Rundum-Überwachung ihres Zuhauses. Aber Millionen Konsumenten stört selbst das nicht, sie finden, dass KI ihr Leben erleichtert, wenn Musikwünsche auf Zuruf erfüllt werden.

Inzwischen aber müsste jedem klar sein, wie bedeutsam KI ist. Und warum auch der Staat dringend gefordert ist, klug steuernd einzugreifen. Denn schon bald könnten Millionen Beschäftigte in Deutschland fundamental an ihrem Arbeitsplatz betroffen sein: Wenn KI lückenlos überwacht, was sie sagen und fühlen. Und wenn daraus ernste berufliche Konsequenzen erwachsen.

Wie akut das Problem ist, hat der Modehändler Zalando gerade erst illustriert. Ausgerüstet mit der Personalsoftware Zonar bat das Bekleidungsunternehmen seine Mitarbeiter, sich gegenseitig zu benoten. Zu Recht schlägt die Organisation Algorithm Watch jetzt Alarm: Was, wenn immer mehr Firmen auf solche Weise People Analytics betreiben? Wenn sie mit handelsüblicher Software Daten über Mitarbeiter nutzen, um deren persönliche Leistungen vorherzusagen? Und wenn das zur Grundlage von Personalentscheidungen wird - am Ende sogar ein Auslöser fürs Fördern und Feuern?

Obwohl sie zu wenig wissen, experimentieren einige Arbeitgeber in der Verbotszone

Die Aufregung kommt wie gerufen für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und sein "Deutsches Observatorium für Künstliche Intelligenz", das der Sozialdemokrat an diesem Dienstag in Berlin eröffnen will. Dessen Hauptaufgabe soll sein, die Auswirkungen von KI-Anwendungen auf Arbeit und Gesellschaft zu untersuchen und staatliche Eingriffe vorzubereiten. So entsteht ein TÜV für künstliche Intelligenz in Firmen, zunächst als kleinere Einheit im Arbeitsministerium. Doch schon steht fest, dass daraus eine veritable Behörde wird mit vielen neuen Stellen.

Das mag vernünftig klingen, gibt aber auch Anlass zur Besorgnis - vor allem, wenn sich eine solche Einrichtung im Einflussbereich eines SPD-Ministers befindet, dessen bis in die Grundfesten erschütterte Partei beinahe panisch darauf bedacht ist, im Zweifel durch symbolische Politik Wählerstimmen zurückzugewinnen, obgleich das bisher nie funktionierte.

Fest steht jedenfalls: Gesetzliche Grenzen für den Einsatz von People Analytics in Firmen gibt es längst. Das Datenschutzrecht erlaubt nur, was erforderlich ist für das Beschäftigungsverhältnis. Wer Arbeitnehmerdaten analysieren will, um persönliche Leistungen zu prognostizieren, braucht vorher die - freiwillige - Einwilligung jedes Betroffenen. Eine andere Möglichkeit ist, solche Verfahren per Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsräten und Unternehmensleitung zu regeln.

Wahr ist aber auch, dass die meisten Firmen und Beschäftigten noch viel zu wenig wissen über KI und ihre Folgen für Betriebe. Deswegen experimentieren unprofessionelle Firmenleitungen lieber in der Verbotszone. Zugleich verspüren aber auch Betriebsräte wenig Drang, Betriebsvereinbarungen zu schließen, deren Folgen sie nicht überblicken.

Was also macht ein intelligenter Arbeitsminister in dieser Lage? Zuerst sagt er Sätze wie: Künstliche Intelligenz soll Arbeit besser machen, damit aus digitalem Wandel auch sozialer Fortschritt wird. Doch anschließend erlässt er nicht flugs neue Gesetze und Verordnungen, sondern informiert zunächst alle Betroffenen gemeinsam - Beschäftigte und Unternehmensführungen - über die Spielarten künstlicher Intelligenz in Produktionsprozessen und Betrieben. Zugleich verfasst er eine Broschüre, in der die geltenden rechtlichen Regelungen aufgeführt sind, die längst auch für KI gelten.

Wenn er nicht nur intelligent, sondern klug ist, dann stellt ein Minister wie Hubertus Heil auch diese Frage: Ist es eigentlich typisch deutsch, dass es schon eine Behörde für die Anwendung künstlicher Intelligenz gibt, noch bevor diese Basistechnologie der Zukunft in deutschen Produkten und Produktionsprozessen im weltweiten Maßstab nennenswert vorkommt?

Eine kluge Antwortet lautet: Nur wenn Transparenz herrscht über KI und die Folgen, wird sich dieses Geschäftsfeld in deutschen Firmen gedeihlich entwickeln.

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