Im Online-Geschäft werden oft gravierende Fehler gemacht. Doch nicht nur da. Auch der stationäre Handel hat vielerorts noch nicht verstanden, was die digitale Stunde geschlagen hat. In beiden Bereichen werden Kunden verprellt, die leicht zu halten wären – wenn ein paar simple Erkenntnisse beachtet würden.

Eine Umfrage von IBM hat gezeigt, dass die Generation Z (geboren nach 1997) gern im stationären Handel einkauft, obwohl sie mit Smartphone und Internet aufgewachsen ist. Eine durchaus anspruchsvolle Zielgruppe, die auf Personalisierung und Erlebnisse beim Einkaufen setzt.
Gleiches gilt für die Vorgängergeneration der Millennials. Auch ihr Kaufverhalten sei, so Beobachtungen von Marktforschern, stark durch die Digitalisierung geprägt. Hinzu kommt, dass Millennials bereit sind, mehr Geld auszugeben, sprich: Sie sind eine für den Konsum von Luxus zu gewinnende Klientel. Unter einer Voraussetzung: wenn sie dafür im Gegenzug ein besseres Kundenerlebnis erhalten.
Sprachgesteuerter Spiegel bei H&M.
© H&M
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Die Warenkorb-Abbruchquote auf europäischen E-Commerce-Webseiten spricht nicht dafür, dass dies im Online-Handel der Fall ist: Im Jahr 2018 lag sie bei über 70 Prozent, bei Nutzern von Mobilgeräten sogar bei rund 85 Prozent.
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Im stationären Handel lässt sich nicht so einfach messen, wieviele Kunden enttäuscht werden. Jürgen Stöcker, Ex-Marketing- und Personalvorstand bei Hornbach, hat in einem Gastbeitrag für Impulse einmal neun Kardinalfehler beschrieben, darunter als Fehler Nummer 2 die Vernachlässigung von Kundenbedürfnissen. Die Erwartungen der Kunden hätten sich durch die Erfahrungen im E-Commerce verändert, auch stationäre Händler müssten „in Lösungen für den Kunden denken und mit besonderem Service punkten“, so der Berater.

Bedürfniss nach digitaler Unterstützung beim Einkauf

„Die Digitalisierung hat den Machtschwerpunkt zugunsten des Kunden verschoben. Die Einzelhandelstechnologie hat den Blick üblicherweise nach innen gerichtet und muss nun kundenzentriert werden“, formuliert der Crowdtesting-Dienstleister Applause eine ganz ähnliche Empfehlung.

Dies bedeutet, Kundenbedürfnisse zu beachten, beispielsweise das Bedürfnis nach digitaler Unterstützung beim Einkauf im Einzelhandel.
Die Bereiche Web und Mobile wachsen zwar, doch der größte Teil der Umsätze wird aber immer noch in Ladengeschäften erzielt. Laut des amerikanischen Statistikbüros machten In-Store-Käufe im dritten Quartal 2017 mehr als 90 Prozent der gesamten Einzelhandelsumsätze in den USA aus.

Wenn Kunden einkaufen gehen, spielt digitale Präsenz auch dort eine große Rolle. Käufer nutzen vor, während und nach diesen Besuchen der Ladengeschäfte digitale Kanäle. Tendenz steigend. Ein Beispiel: Eine Studie von Deloitte sagt, dass 71 Prozent der Millennials und Nicht-Millennials digitale Hilfsmittel nutzen, bevor sie einkaufen.
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© Screenshot
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55 Prozent der Millennials und 44 Prozent der Nicht-Millennials verwenden digitale Hilfsmittel während des Einkaufens. Die Interaktion mit dem Smartphone wird zunehmend relevant – insbesondere im Zusammenspiel mit In-Shop-Experiences. Je jünger die Shopper, desto mehr ziehen sie ihr Smartphone dem Laptop oder PC vor.

Übergreifende Markenerfahrung bieten

Die Empfehlung, in Lösungen zu denken, gilt also umfassend für jeden der Touchpoints mit einer Marke oder einem Handelsunternehmen, egal ob im Online- oder im stationären Shop. Die Empfehlung, digitale Kanäle, Social Media, Onlineshops, Fashion Shows und physische Stores so zu verknüpfen, dass dies eine nahtlose Omni-Experience ermöglicht, ist oft wiederholt worden.

"Die Kunden sollen selbst entscheiden, auf welchem Weg sie sich über unsere Angebote informieren wollen, auf welchem Weg sie die Ware von uns erhalten und welche Zahlungsform sie wählen wollen.“

Erich Harsch, Vorsitzender der dm-Geschäftsführung
Dennoch neigen Retailer immer wieder dazu, nur individuelle Kanäle zu bedienen, statt Kunden eine übergreifende Markenerfahrung zu bieten. Einzelhändler glauben häufig, dass Omnichannel nur die Vernetzung einer digitalen und einer physischen Erfahrung umfasst (zum Beispiel online kaufen und im Laden abholen).

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Laut einer US-amerikanischen Studie von Deloitte bevorzugen zwei Drittel aller Verbraucher aber eine selbstgesteuerte Einkaufstour. Anders gesagt: Kunden wollen aussuchen, wie und wann sie mit Einzelhändlern interagieren.

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Der Drogeriemarkt dm hat das erkannt und will seinen Kunden die Leistungen dort bereitstellen, wo sie nachgefragt werden, „ob in der realen oder in der digitalen Welt“, so Erich Harsch, Vorsitzender der dm-Geschäftsführung: „Die Kunden sollen selbst entscheiden, auf welchem Weg sie sich über unsere Angebote informieren wollen, auf welchem Weg sie die Ware von uns erhalten und welche Zahlungsform sie wählen wollen.“
Kundenberatung per Smartphone bei dm Drogeriemarkt
© dm drogeriemarkt
Kundenberatung per Smartphone bei dm Drogeriemarkt
Die Chancen, dass sich die Investition rechnen, stehen gut, denn Multikanal-Shopper werden immer wertvoller. Eine Studie der Harvard Business Review unter 46.000 Verbrauchern kommt zum Ergebnis, dass Omnichannel-Shopper im Vergleich zu ihren Einzelkanal-Pendants 4 Prozent mehr in den Stores und 10 Prozent mehr online ausgeben.

Derart flexible Kunden nutzen auch beim Einkauf im Einzelhandel die Unterstützung digitaler Apps. Retailer würden dies aber bislang noch häufig ignorieren, lautet der Befund von Applause: Einige bieten keine Apps an, andere tun das zwar, ohne dass diese aber zusätzliche Vorteile böten, weshalb Kunden keinen besonderen Grund für ihre Installation sähen.
Self-Scanning bei Albert Heijn
© Albert Heijn
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„Mobile Apps müssen eine lohnende Erfahrung sein und mehr tun, als nur zu versuchen, die Website zu kopieren. Diese Apps sollten Funktionen anbieten, die die Fähigkeiten von mobilen Geräten nutzen und Mehrwert bieten. Zum Beispiel Barcode-Scanning, Deal-Benachrichtigungen und ein Filialfinder“, lautet die klare Empfehlung von Applause. Doch Digitalisierung im Retail heißt nicht nur, eine Website und eine mobile App anzubieten, sondern sich auch der Bedeutung von Social Media bewusst zu sein. Laut einer Studie von UPS und comScore nutzen 77 Prozent der US-Online-Shopper Social Media, 34 Prozent dieser Gruppe sagen, dass Social Media sie in ihren Kaufentscheidungen beeinflusst und 23 Prozent bereits ein Produkt auf Social Media gekauft haben.

Inwiefern der Prozentsatz hätte höher sein können, wenn die eingangs erwähnte Abbruchquote niedriger wäre, ist schwer zu sagen. Fakt ist, dass  lange oder komplizierte Checkout-Vorgänge einer der Hauptgründe für einen Abbruch sind.

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Sprich: Konsumenten empfinden es als schwer, Unternehmen ihr Geld zu geben.  Studien zeigen regelmäßig, dass ein Fünftel und mehr Kunden bereits Transaktion aufgrund fehlender Zahlungsoptionen abgebrochen haben.
Auch im stationären Handel lässt sich der Bezahlvorgang noch optimieren. dm bietet seinen Kunden bereits eine entsprechende App an, mit der Kunden über ihre Smartphones mobiles Selfscanning der Waren betreiben können. Die Diagnose ist für Applause eindeutig: „Wenn Konsumenten während des Kaufvorgangs auf ein Hindernis treffen, sinkt ihre Kaufmotivation.“ Bis am Ende die Bereitschaft, sich von seinem Geld zu trennen, auf Null geht.

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Abhilfe zu schaffen, ist eigentlich einfach: Erstens sollte das Einkaufserlebnis durchweg benutzerfreundlich und unkompliziert sein. Zweitens sollte im E-Commerce bei der Gestaltung des Bestellvorgangs großen Wert auf die einzelnen Prozessschritte von der Artikelauswahl und Prüfen des Warenkorbs bis zur Bestellbestätigung gelegt werden. Kunden sollten niemals hilflos im Dunkeln tappen müssen, weshalb beispielsweise eine Fortschrittsanzeige überaus wichtig ist!

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